Georg Braun belegt Platz 8 bei deutschem Kandidatenturnier
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Georg Braun belegt Platz 8 bei deutschem Kandidatenturnier
Der Bebenhäuser Spitzenspieler spielte trotz Rückschlägen ein starkes Turnier
OSTFILDERN-RUIT. Beim diesjährigen Kandidatenturnier des deutschen Schachbunds erreichte Georg Braun vom Schachklub Bebenhausen 1992 einen respektablen 8. Platz. Nach einem furiosen Start hatte der Tübinger Spitzenspieler zwischenzeitlich Chancen auf eine Top-Platzierung und auf eine Internationaler-Meister-Titel-Norm. In der zweiten Turnierhälfte musste der Bebenhäuser Spitzenspieler aber zwei Niederlagen hinnehmen und landete in der Endtabelle genau auf seinem Setzlistenplatz.
In der ersten Runde wurde Braun gegen Aaron Grübel von den Schachfreunden Hettstedt aus Sachsen-Anhalt seiner Favoritenrolle gerecht. In der Eröffnung übte der Goldersbachtäler bereits großen Druck aus, eher er den gegnerischen König im Mittelspiel ins Freie jagte und Material gewann, das er schließlich im Endspiel zum Sieg verwertete.
In der zweiten Runde bekam Braun aber mit dem Internationalen Meister Raphael Lagunow schon einen nominell stärkeren Gegner zugelost. Braun überraschte den aktuellen Berliner Meister mit 1…Sc6 und glich ohne Probleme aus. Als das Spiel zu einem Remis zu verflachen drohte, entschied sich sein Gegner in der Zeitnotphase für ein spekulatives Bauernopfer, um einen Königsangriff zu starten. Aber hier zeigte Braun seine Konterqualitäten und widerlegte den Angriffsversuch, indem er ein gegnerisches Damenopfer ablehnte und stattdessen ins Turmendspiel abwickelte. Mit der Verwertung tat sich Braun hier schwer, aber nachdem er ein zweites Mal genauer als sein Gegner rechnete, konnte er den Sieg einfahren.
In der dritten Runde spielte Braun dann gegen Arkadi Syrov vom Schachklub Frankenthal. Der aktuelle Rheinland-Pfalz-Meister entschied sich in der spanischen Eröffnung zu einem Bauernopfer, um seine Figuren zu befreien. Lange versuchte Braun aus seinem Mehrbauern Kapital zu schlagen, musste sich dann aber in einem Endspiel mit ungleichfarbigen Läufern mit einem Remis begnügen.
Überraschenderweise erhielt Braun auch in der vierten Runde die weißen Steine zugelost, und zwar gegen den Internationalen Meister Tobias Kügel vom Schachklub Kirchweyhe. Wieder wurde Braun mit einem Bauernopfer in einer Variante der spanischen Eröffnung konfrontiert, wieder ergab sich nach einem langen Theorie-Duell ein Endspiel mit ungleichfarbigen Läufer, in dem der Goldersbachtäler seinen Mehrbauern zu verwerten versuchte. Und erneut reichte es am Ende nur für eine Punkteteilung.
Obwohl diese zwei Partien weitestgehend fehlerfrei waren, ärgerte sich Braun doch ziemlich über diese, weil sie bedeuteten, dass er im darauffolgenden Doppelrundentag zwei Partien mit Schwarz vor sich hatte.
In der fünften Runde traf Braun dann am Spitzenbrett auf den Großmeister Hagen Poetsch vom Schachclub Heusenstamm aus Hessen. Der klare Turnierfavorit hatte in seinen bisherigen zwei Weißpartien bereits zwei Internationale Meister geschlagen. Braun tüftelte eine zwanzigzügige Vorbereitung mit der Französischen Verteidigung aus, doch obwohl sein Gegner diese Variante unmöglich vorhersehen konnte, erreichte der Großmeister eine vorteilhafte Stellung mit einer besseren Bauernstruktur. In der Zeitnotphase erhöhte Poetsch den Druck und suchte die Entscheidung, was Braun dazu trieb, alle Brücken hinter sich abzureißen und auch selber alle Schwerfiguren gegen den gegnerischen König zu werfen. Schließlich waren seine Drohungen so stark, dass der Großmeister dazu gezwungen war, sich mit einem Remis durch Dauerschach zufrieden geben musste, und Braun konnte über einen hart erkämpften halben Punkt jubeln.
Nach einer kurzen Pause musste Braun dann in der sechsten Runde gegen Marco Dobrikov vom Schachclub Viernheim antreten. In der Eröffnung opferte Braun übermotiviert einen Bauern, und musste sich deutlich mühen, ehe er diesen zurückgewann. Das resultierende Mittelspiel schätzte er aber völlig falsch ein, und, anstatt auf eine Punkteteilung hinzuarbeiten, versuchte er verbissen auf Sieg zu spielen. Dabei manövrierte er aber seine Figuren auf ungünstige Felder und konnte in der Zeitnotphase einen gegnerischen Königsangriff nicht mehr abwehren.
Nach diesem Tag war die Erschöpfung bei Bebenhausens Spitzenspieler groß, aber immerhin konnte er darauf hoffen, in der nächsten Runde mit Weiß gegen einen nominell schwächeren Spieler zu spielen. Daraus wurde aber nichts, denn Braun musste in der siebten Runde gegen die Nummer 2 des Turniers, den siebzehnjährigen Ukrainer Vadim Petrovskiy von den hessischen Schachfreunden Wolfhagen, antreten.
Petrovskiy hat in diesem Jahr den deutschen Meistertitel in seiner Altersklasse gewonnen sowie in der Vorwoche in Dortmund nur um Haaresbreite eine Großmeister-Norm verpasst. Braun entschied sich dafür, Kräfte in der Vorbereitung zu sparen und eröffnete mit 1.c4, was sich im Nachhinein als Fehler erweisen sollte. Mit der resultierenden Benoni-Stellung tat sich Braun im Gegensatz zu seinem Kontrahenten schwer, und obwohl er sich noch lange zäh verteidigte, war die Partie nach einem Bauerndurchbruch im Zentrum im höheren Sinn schon nach 25 Zügen zu Gunsten des Ukrainers entschieden.
Mit der zweiten Niederlage in Folge waren die Träume aufs Podium und die EM-Norm endgültig ausgeträumt, und nun galt es für Braun zu verhindern, in die zweite Tabellenhälfte durchgereicht zu werden. In der achten Runde ging es gegen den 19-jährigen Ruben Lutz vom Universitätssportverein der TU Dresden, der im Vorjahr sächsischer Meister geworden war, aber bis dahin im Turnier unter seinen Möglichkeiten blieb. Braun entschied sich für die königsindische Verteidigung, und besetzte mit seinem Springer früh das Zentrum. Von dieser Nebenvariante überrascht reagierte sein Gegner schlecht und geriet bald mit den weißen Steinen in die Defensive. Nachdem Braun dann aber an einer Stelle den kritischen Zug verpasste, musste er einen Generalabtausch durchführen, der in einem Turmendspiel mündete, in dem kein Spieler noch Siegchancen hatte. Aber immerhin war mit dem Schwarzremis Brauns Niederlagenserie gebrochen.
In der Schlussrunde traf Braun dann auf den Internationalen Meister Niklas Schmider von der OSG Baden-Baden. In einer Variante der spanischen Eröffnung suchte Braun das Theorie-Duell bis ins tiefe Endspiel, in dem er eine Mehrqualität vorzuweisen hatte, sein Gegner aber als Kompensation das Läuferpaar besaß und mit einem seiner Läufer einen weißen Bauern auf a2 schlagen konnte. Es ergab sich eine verwickelte Stellung, in welcher Braun versuchte, eben diesen Läufer zu fangen, was ihm nach einem gegnerischen Black-Out im 24. Zug auch gelang, wonach sein Gegner sofort aufgab. Ein solcher Figurenfang gelingt auf diesem Niveau eigentlich nur extrem selten, aber selbst Bobby Fischer unterlief in der 1. Runde seines legendären WM-Matches 1972 gegen Boris Spasski ein solches Malheur.
Für Braun endete das Turnier damit versöhnlich mit 5 Punkten aus 9 Partien und dem 8. Platz in der Endtabelle. Trotz der verpassten Chancen kann er aufgrund der sehr starken Gegner mit dem Ergebnis zufrieden sein. Neuer deutscher Meister wurde Hagen Poetsch mit 6,5 Punkte, der durch einen Sieg in der Schlussrunde und mit seiner besseren Zweitwertung noch Marco Dobrikov einholen und auf den zweiten Platz verdrängen konnte. Den dritten Platz belegte Tobias Kügel mit 6 Punkten aus 9 Partien und der besten Zweitwertung vor Tobias Kölle (TSV Schönaich) und Jonas Rosner (Schachklub Ettlingen). Vadym Petrovskiy belegte den 6. Platz mit 5,5 Punkten, vor Lagunow, Braun, Schmider, Syrov, Yasmo, Chassard und Keyser mit jeweils 5 Punkten.
Überschattet wurde das Ende des Turniers von der tragischen Nachricht, dass der Schiedsrichter und Turnierorganisator Gregor Johann im Urlaub bei einer Bergwanderung tödlich verunglückt war. Seit vielen Jahre war Johann bei unzähligen nationalen und internationalen Turnieren und Meisterschaften im Einsatz und wurde überall für sein großes Engagement und seinen Sachverstand geschätzt. Während seiner Zeit als Bundesturnierorganisator organisierte er viele deutsche Meisterschaften, und noch 2022 den deutschen Schachgipfel in Magdeburg. Die Spieler der deutschen Meisterschaft gedachten Johann mit einer Schweigeminute. Viele unter ihnen hatten in den letzten Jahren von Johann bei Turnieren und Meisterschaften ihre Meisternormen verliehen bekommen.
Endtabelle deutsches Kandidatenturnier mit allen Rundenergebnissen: https://chess-results.com/tnr989899.aspx?lan=0&art=4
Startrangliste deutsches Kandidatenturnier: https://chess-results.com/tnr989899.aspx?lan=0&art=0
Alle Partien des deutschen Kandidatenturniers zum Nachspielen bei Lichess: https://lichess.org/broadcast/german-championships–womens-masters-2024–einzelmeisterschaft-kandidaten/round-1/lkr1XeGL#boards
Nachruf auf Gregor Johann beim deutschen Schachbund: https://www.schachbund.de/news/gregor-johann.html
Brauns Partie aus der Schlussrunde: