Schach // Georg Braun mit sensationellem 2. Platz
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Georg Braun mit sensationellem 2. Platz
Bebenhausens Spitzenspieler steigt in Deutsche Meisterklasse auf
MÜNCHEN. Langer Kampf, eine Portion Glück, und am Ende großer Jubel! Bebenhausens Spitzenspieler Dr. Georg Braun feierte beim diesjährigen Meisterschaftsgipfel in München seinen bisher größten schachlichen Erfolg. Im traditionellen Turnier, in dem die Meister der einzelnen Landesverbände mit einer Hand voll Großmeistern und starke Nachwuchstalenten konkurrieren, erreichte der Tübinger beachtliche 6,5 Punkte aus 9 Partien und damit den zweiten Platz. Am Ende war in diesem Wettbewerb nur der Internationale Meister Tobias Kügel mit 7 Punkten aus 9 Partien besser. Aber den eigentlichen Hauptpreis des Turniers sicherte sich auch der zweitplatzierte Braun: Die Teilnahmeberechtigung an der nächstjährigen Meisterklasse, der neuen offiziellen deutschen Meisterschaft! Hierbei handelt es sich um ein Rundenturnier mit 10 Spielern, in welchem auch die Mitglieder der Nationalmannschaft an den Start gehen. In diesem Jahr wurde diese Meisterklasse wie erwartet von Vincent Keymer dominiert, der unglaubliche 7 Punkte in 9 Partien errang. Während es für Keymer wie eine leichtere Übung wirkte, stellte ein solches Turnier für den Schach-Amateur Braun ohne Zweifel die härteste schachliche Herausforderung seines Lebens dar.
In der 1. Runde des deutschen Kandidatenturniers wurde Braun mit den schwarzen Steinen gegen Olaf Steffens gelost, den Landesmeister aus Bremen. Seiner Favoritenrolle wurde Braun aber nicht gerecht, und stand in einer wilden Partie zwischenzeitlich sogar auf Verlust. Erst kurz vor der Zeitkontrolle konnte Braun in einer chaotischen Stellung die Oberhand gewinnen und einen entscheidenden Mattangriff starten.
Bereits in Runde 2 wurde Braun gegen einen nominell stärkeren Gegner gelost, und zwar Nachwuchstalent Christian Glöckler, der kürzlich im Alter von 14 Jahren den IM-Titel beantragen konnte, und überhaupt erst seit 4 Jahren Schach spielt. Im Gegensatz zu Glöckler spielt der 31-jährige promovierte Mathematiker Braun seit etwa 25 Jahren Schach, und ist noch ein Stück vom Titel Internationaler Meister entfernt. Es ergab sich wiederum eine zweischneidige Kampfpartie, und nach einer wilden Zeitnotschlacht, in der beide Spieler Gewinnmöglichkeiten übersahen, landete Braun in einem bedrohlichen Endspiel und musste das Endspiel Turm gegen Turm und Läufer verteidigen. Und erst hier machte sich Brauns längere Erfahrung im Schachspiel bemerkbar, und er absolvierte die 50 Züge bis zur Remisreklamation ohne größere Schwierigkeiten; insgesamt wurden 107 Züge gespielt.
In der 3. Runde spielte Braun gegen Saglam Buelent, den Landesmeister aus Schleswig-Holstein, der als vermutlich einziger Teilnehmer des Felds noch nie mit Schach-Engines oder Datenbanken gearbeitet hat, sondern ausschließlich mit Schachbüchern und Partiesammlungen der alten Meister. In dieser Partie war Braun wieder nominell klarer Favorit, und griff mit Schwarz zur aggressiven, aber ultrariskanten Benoni-Variante. Doch sein Gegner zeigte sich davon unbeeindruckt und überspielte Braun, der sich genötigt sah, die Sicherheit seines Königs zu opfern. Im entscheidenden Moment verrechnete sich sein Gegner jedoch und verweigerte ein siegbringendes Figurenopfer, wodurch Braun die Partien drehen und in der Zeitnotphase einen entscheidenden Spieß anbringen konnte. Nach drei Runden kam Braun so zwischenzeitlich auf beachtliche 2,5 Punkte, aber hatte bis hierhin riesiges Glück, weil er sich mit seiner kompromisslosen Spielweise in jeder Partie auch eine Verluststellung eingehandelt hatte. Von jetzt an sollte Braun aber schachlich stabiler werden.
Vergleichsweise ereignisarm verlief Brauns vierte Partie gegen den nominell gleichstarken Isaac Garner, der sich in Hamburg für das deutsche Kandidatenturnier qualifiziert hatte. In einer Nebenvariante der Caro-Kann-Verteidigung strebte Braun nach einem positionellen Vorteil, aber sein Gegner zeigte sich eröffnungstheoretisch bestens präpariert, sodass Braun nicht mehr als eine Abwicklung in ein Remis-Endspiel blieb.
In der 5. Runde traf Braun dann auf den Internationationalen Meister Tobias Kügel, der im Vorjahr bereits den dritten Platz im Kandidatenturnier belegte, und sich in diesem Jahr als der versierteste Eröffnungstheoretiker im Kandidatenturnier erwies. Bereits im Vorjahr gewann Kügel das Eröffnungsduell gegen Braun und erzielte damals mit Schwarz mühelos ein Remis, aber in diesem Jahr führte Kügel die weißen Steine. Prompt wurde Braun von der Trompovsky-Eröffnung überrascht, und wieder landete er in einer schwierigen Stellung mit einem geschwächten Königsstellung. Nach einigen bangen Momenten hatte Braun Glück und konnte den gegnerischen Angriff entschärfen und schließlich im Endspiel die Punkteteilung sicherstellen.
Umso motivierter war Braun in Runde 6 , in welcher er gegen Großmeister Vitaly Kunin spielte, dem es nicht gelang, in dieser Meisterschaft sein ganzes Können unter Beweis zu stellen. Gegen den beschleunigten Drachen erreichte Braun mit dem Maroczy-Aufbau eine bessere Stellung, aber verpasste dann mehrfach Chancen, seinen Gegner vor große Probleme zu stellen. Schließlich endete die Partie mit einer Punkteteilung im Endspiel, was Braun trotz des starken Gegners sehr frustrierte.
In der 7. Runde wurde Braun mit Schwarz gegen Vincent Spitzl gelost, den Landesmeister von Sachen-Anhalt. Braun überraschte Spitzl mit einer Zugfolge in der sizilianischen Verteidigung, worauf sich dieser dafür entschied, früh die ausgetretenen Pfade der Eröffnungstheorie zu verlassen. Hier gelang es Braun, seinen Gegner in einer geschlossenen Stellung auszumanövrieren und einen Bauern einzusammeln. Aber die Verwertung gestaltete sich schwierig, als im Endspiel immer mehr Figuren und Bauern abgetauscht wurden. Zwischenzeitlich war sein Gegner sogar einmal ins Remis entwischt, aber als beide Spieler keine Bedenkzeit hatten, und nur noch von 30 Sekunden Inkrement pro Zug lebten, behielt Braun in einem Bauernwettrennen die Nerven und gewann nach 80 Zügen.
Viel Zeit, diesen Erfolg zu feiern, blieb aber nicht, denn in der 8. und vorletzten Runde musste Braun gegen Großmeister Hagen Poetsch antreten. Dieser führte die Tabelle mit einem halben Punkt Vorsprung an und hatte bereits im Vorjahr das deutsche Kandidatenturnier gewonnen, sich aber dagegen entschieden, in diesem Jahr in der Meisterklasse mitzuspielen. Angesichts der Turniersituation war klar, dass Braun unbedingt gewinnen musste, wenn er einen der zwei vorderen Plätze ergattern wollte. Und da half es auch nicht, dass Braun bereits zum fünften Mal in diesem Turnier die schwarzen Steine zugelost bekam. Risikobereit entschied sich Braun dafür, zum ersten Mal in seinem Leben die Sveshnikov-Variante der sizilianischen Eröffnung zu spielen, die wie erwartet Poetsch völlig überraschte, welcher sich stattdessen auf Brauns andere Eröffnungssysteme vorbereitet hatte und in der Nacht nur wenige Stunden schlief. Wie von Braun insgeheim gehofft, versuchte Poetsch mit einer zweischneidigen Nebenvariante Braun zu überraschen – diese Nebenvariante hatte Braun aber bereits vor Jahren analysiert hat, als er als Schachtrainer bei mehreren deutschen Meisterschaften Nachwuchstalente wie Marius Deuer und Nils Richter betreute. Wegen der vorbereiteten Computerzüge baute Braun auf der Uhr früh einen riesigen Zeitvorteil auf. Zwar gelang es Poetsch aufgrund seiner großen Klasse, die Probleme seiner Stellung noch in den Griff zu bekommen, aber nach 28 Zügen hatte der Großmeister dafür nur noch 1 Minute auf der Uhr, und musste in einer weiterhin komplizierten Stellung noch 12 Züge absolvieren bei einer Zeitgutschrift von gerade mal 30 Sekunden pro Zug, ehe er mit dem 40. Zug zusätzliche Bedenkzeit erhalten würde. Dieser Druck war selbst für den Großmeister zu viel. Er übersah eine fünfzügige Kombination, mit welcher die Braun mit einem temporären Damenopfer einen Turm gewann. Mit Vollendung des 40. Zugs musste sich der Großmeister geschlagen geben.
Eine Runde vor Schluss teilten sich Braun und Kügel mit jeweils 6 Punkten die Tabellenführung; Kügel hatte mit Kunin in der vorletzten Runde ebenfalls einen Großmeister besiegt. Im Fernduell zwischen Braun und Kügel hatte Braun den Vorteil, seine letzte Partie mit Weiß zu bestreiten, während Kügel Schwarz hatte. Dafür verfügte Kügel aber über die bessere Zweitwertung und würde bei Punktgleichheit vor Braun landen. In Lauerstellung mit 5,5 Punkte befanden sich die Internationalen Meister Bennet Hagner und Alexander Krastev sowie die Großmeister Poetsch und Vavulin, von denen bei Punktgleichheit mit Braun nur Poetsch die Nase vorne gehabt hätte. Braun spielte gegen Hagner, Kügel gegen Krastev und am 3. Brett die Großmeister Poetsch und Vavulin gegeneinander. Während sich Kügel bewusst auf eine zweischneidige Partie gegen Krastev einließ, versuchte Braun gegen Hagner die Kontrolle über die Stellung zu erlangen. Tatsächlich gelang es Braun, seinen Gegner in den positionellen Schwitzkasten zu nehmen, aus dem dieser sich nicht mehr befreien konnte, es sei denn, Braun würde die Stellung öffnen in der Absicht, die Partie gewinnen zu wollen. Sollte Braun in diesem Moment dieses Risiko eingehen oder sich mit einer Zugwiederholung und damit einem Remis zufrieden geben? Ein Blick auf das Brett 2 offenbarte Braun zum einen, dass Kügels riskantes Spiel gegen Krastev erfolgreich war und dieser mit einem Schwarzsieg uneinholbar den 1. Platz belegen würde. Ein Blick auf das Brett 3. offenbarte Braun, dass Poetsch eine schlechtere Endspielstellung verteidigen musste, ohne realistische Siegchancen. Damit war die Entscheidung an Brauns Brett gefallen, und durch die Zugwiederholung landete Braun mit 6,5 Punkte den 2. Platz hinter Kuegel mit 7 Punkten. Poetsch konnte sein Endspiel noch verteidigen und sich damit den dritten Platz sichern, vor Hagner, Glöckler und Vavulin (alle jeweils 6 Punkte).
Für Braun ist der 2. Platz in dem diesjährigen deutschen Kandidatenturnier der größte schachliche Erfolg seiner Laufbahn; in einem recht homogenen Teilnehmerfeld war der Bebenhäuser Spitzenspieler nur auf Platz 9 gesetzt. Braun blieb als einziger Spieler des Turniers ohne Niederlage. Mit Schwarz holte er unglaubliche 4,5 Punkte aus 5 Partien, was seine dürftige Weißbilanz mit vier Remisen mehr als wett machte. Schon in der erfolgreichen Bebenhäuser Jugendmannschaft hatte Braun den Ruf eines gefährlichen Konterspielers.
Die Teilnahme an der nächstjährigen deutschen Meisterklasse stellt für Braun zudem die mit Abstand größte schachliche Herausforderung seines Lebens dar. Am Rande der Siegerehrung meinte das 14-jährige Nachwuchstalent Glöckler zu Braun: „Nächstes Jahr darfst du bei den Guten mitspielen.“
Etwas schade für Braun ist, dass er trotz seiner großartigen Performance in dem Turnier keine Norm für den Titel Internationalen Meister erhält, weil nur offizielle Meisterschaften von Ländern von der Anforderungen an verschiedene Nationalitäten befreit sind. Diesen Status hat in Deutschland nicht das Kandidatenturnier inne, sondern nur die deutsche Meisterklasse, in der jedes Jahr die deutschen Nationalspieler gesetzt sind.
Der Endstand des deutschen Kandidatenturniers 2025:
1. IM Tobias Kügel, SK Kirchweyhe 1947, 7 Punkte
2. FM Dr. Georg Braun, SK Bebenhausen, 6,5 Punkte
3. GM Hagen Poetsch, SC Heusenstamm, 6 Punkte
4. IM Bennet Hagner, OSG Baden-Baden, 6 Punkte
5. FM Christian Glöckler, Wiesbadener SV 1885, 6 Punkte
6. GM Vitaly Kunin, Freibauer Mörlenbach-Birkenau, 6. Punkte
7. GM Maxim Vavulin, SF Berlin 1903, 6 Punkte
vor weiteren 25 Teilnehmern (siehe „https://chess-results.com/tnr1138612.aspx?lan=0&art=1&rd=9&turdet=YES“ und „https://chess-results.com/tnr1138612.aspx?lan=0&art=4&fed=GER&turdet=YES„). Alle Partien des deutschen Kandidatenturniers 2025 zum Nachspielen: „https://lichess.org/broadcast/german-championship-candidates-2025–open/round-1/dwdRBAfR#boards„.
Der Endstand der Deutschen Meisterklasse 2025:
1. GM Vincent Keymer, OSG Baden-Baden, 7 Punkte
2. GM Matthias Blübaum, SF Deizisau, 5,5 Punkte
3. GM Dennis Wagner, SC Viernheim 1934, 5 Punkte
4. GM Frederik Svane, Hamburger SK von 1830, 5 Punkte
vor weiteren 4 Großmeistern und 2 Internationalen Meistern (siehe „https://chess-results.com/tnr1138517.aspx?lan=0&art=1&fed=GER&turdet=YES“ und „https://chess-results.com/tnr1138517.aspx?lan=0&art=4&fed=GER&turdet=YES„). Alle Partien der Deutschen Meisterklasse 2025 zum Nachspielen: „https://lichess.org/broadcast/german-championship-masters-2025–open/round-1/8BBNohMO„.
Die Deutsche Meisterklasse der Frauen 2025 gewann die favorisierte Internationale Meisterin Dinara Wagner (SC Viernheim 1934) mit 6,5 Punkten hauchdünn vor der punktgleichen Frauen-Großmeisterin Hanna Marie Klek (SF Deizisau). Siehe „https://chess-results.com/tnr1138530.aspx?lan=0&art=1&fed=GER&turdet=YES“ und „https://chess-results.com/tnr1138530.aspx?lan=0&art=4&fed=GER&turdet=YES„.
Das Deutsche Kandidatenturnier der Frauen 2025 gewann Dora Peglau (Schachzentrum Seeblick Dippoldiswalde-Paulsdorf) mit 7,5 Punkten (siehe „https://chess-results.com/tnr1138634.aspx?lan=0&art=1&fed=GER&turdet=YES“ und „https://chess-results.com/tnr1138634.aspx?lan=0&art=4&fed=GER&turdet=YES„.
Die Turnierseite beim Deutschen Schachbund: „https://www.schachbund.de/dem2025.html„.
Der Abschlussbericht der Deutsche Meisterschaften 2025 beim Deutschen Schachbund: „https://www.schachbund.de/news/muenchen-2025-neunter-tag-die-meisterinnen-und-meister-sind-gekroent-der-showdown-des-jahres-zwischen-dinara-wagner-und-hanna-marie-klek.html„.
Die Meldung beim Württembergischen Schachverband zum 2. Platz von Georg Braun: „https://www.svw.info/referate/presse-und-oeffentlichkeitsarbeit/18229-wuerttemberger-schachspieler-auf-reisen„.